Argumente

1. Gefährdung der Busverbindung

Durch die Erweiterung des Busangebots der Linie 402 sind die Gemeinden Worblingen, Arlen und Rielasingen im 30-min-Takt oder noch besser mit Singen verbunden, und das unter der Woche von 4.32 Uhr bis 20.26 Uhr. Danach gibt es bis nach Mitternacht noch stündlich die Möglichkeit, diese Linie zu nutzen.

Zusätzlich fährt in Rielasingen zwischen 5.00 Uhr und Mitternacht stündlich die Linie 7349 (Singen – Stein a.Rh.).

Sollte nun die Bahnlinie reaktiviert werden, wird sich die Aufrechterhaltung dieser Busverbindungen nicht mehr lohnen. Dies wäre ein Nachteil für alle, die weiter entfernt vom Bahnhof wohnen bzw. arbeiten und bisher zu Fuß die nächste Bushaltestelle nutzen konnten.

16 Bushaltestellen würden dann durch einen Bahnhof ersetzt!

Da unsere Gemeinde aus drei Ortsteilen besteht und der Bahnhof nicht zentral liegt, würde die Reaktivierung den ÖPNV für die Menschen nicht attraktiver, sondern unattraktiver machen.

In der Folge würden weniger Leute die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können.

Abgesehen davon, dass der Busbetrieb günstiger ist, ist er auch weitaus flexibler was die Fahrgastzahlen, Taktung und Haltestellen anbelangt.

Anstatt Geld für die Reaktivierung auszugeben, wäre die Verbesserung des vorhandenen Potenzials der Buslinien durch eine attraktivere Preisgestaltung (z.B. 1 €-Tickets) und umweltfreundlichere Antriebsarten wie Elektrobusse wünschenswert.

2. Wirtschaftlichkeit / Kosten

Die Bahnstrecke zwischen Etzwilen und Singen wurde 1875 gebaut und war in den vergangenen knapp 130 Jahren ihres Betriebs nie rentabel. Aus diesem Grund wurde der Personenverkehr bereits 1969 eingestellt, die Strecke sollte vor ca. 15 Jahren endgültig entwidmet und abgebaut werden. Der Kauf der Strecke durch einen Zusammenschluss von Eisenbahnliebhaber führte dazu, dass der geplante Rückbau nicht stattgefunden hat und die Strecke für den Museumsbahnbetrieb von ehrenamtlichen Helfern erhalten wird.

Die Eigentümer des Streckenabschnitts Rielasingen- Etzwilen befürworten eine Reaktivierung, betonen jedoch auch, dass sie den Betrieb und die notwendigen Sanierungen für einen regulären Bahnbetrieb – vor allem an den Brücken, den Bahnübergängen und in Punkto Lärmschutz – nicht finanzieren können. Hier ist ihrer Ansicht nach die öffentliche Hand gefragt.

Wer die „öffentliche Hand“ genau sein soll, ist bislang nicht bekannt. Die Kommunen an der Strecke, der Kanton Thurgau oder gar das Land BW?

Dieses bezuschusst momentan zwar den Ausbau stillgelegter Bahnstrecken, Verkehrsminister Hermann betont jedoch, dass das Programm ein ernsthaftes Interesse von kommunaler Seite an einer Reaktivierung voraussetzt: „Hierzu gehört auch die Bereitschaft, die kommunalen Eigenmittel im Rahmen der Infrastrukturförderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zu leisten und bei einem späteren Betrieb die Betriebskosten zu tragen“.

Im Klartext, Fördergelder gibt es nur für den Ausbau! Wobei der immer wieder genannte Prozentsatz von 96 % nur unter Idealbedingungen und in Verbindung mit einer Elektrifizierung erreicht werden kann.

Bei der Strecke Singen – Etzwilen, die nicht elektrifiziert werden soll, werden sich die Kommunen mit rund 20% an den Kosten am Ausbau beteiligen müssen. Und nur mal so am Rande, auch die 80% Fördergelder sind im Grunde nichts Anderes als unser Steuergeld.  

Viel entscheidender bei der Betrachtung der Kosten sind jedoch die jedes Jahr anfallenden Betriebskosten. Wer soll diese finanzieren?

Diesen Punkt gilt es zu klären, da hier jährlich mehrere Millionen anfallen können.

Abschließend bleibt noch die Frage: Wer erklärt sich bereit, die Kosten für den Ausbau und den Betrieb auf dem Streckenabschnitt in der Schweiz zu tragen? Dieser Abschnitt von Rielasingen nach Etzwilen kommt laut der vom Land BW in Auftrag gegebenen Potenzialanalyse auf etwa. 130 Zustiege am Tag, also durchschnittlich 3-4 Fahrgäste pro Fahrt auf der gesamten Strecke!!

Wer möchte eine Bahnstrecke von ca. 10 km Länge mit zum Teil sanierungsbedürftigen Brücken ausbauen, bei der schon allein die Lohnkosten der Lokführer die gesamten Einnahmen durch den Fahrkartenverkauf deutlich übersteigen? Der deutsche Steuerzahler sicher nicht!

3. Umweltbelastungen

Glyphosat im Gleisbett

Video : Glyphosat im Gleisbett

Bahnstrecken werden regelmäßig mit Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat auf einer Breite von knapp sieben Metern behandelt. Glyphosat ist ein chemisches Unkrautvernichtungsmittel und steht im Verdacht, Krebs zu verursachen. Das Schotterbett wird damit vor Verkrautung geschützt, so dass die Funktion erhalten bleibt und damit die Sicherheit im Schienenverkehr garantiert werden kann.

Die Deutsche Bahn behandelt ihre Trassen mindestens jährlich mit Herbizidprodukten wie Glyphosat, Flumioxazin und Flazasulfuron. Alternativen werden zwar permanent beleuchtet, haben sich aber noch nicht gefunden: Abfackeln hätte eine schlechte Ökobilanz, heißes Wasser, Strom, UV-Licht oder eine häufigere Durcharbeitung des Schotterbettes wären teuer und zeitaufwändig. Völlig unklar sind die Folgen für die angrenzenden Grundstücke und die betroffenen Flüsse Rhein und Aach. Da der Zeitpunkt des Spritzmitteleinsatzes nicht bekannt gegeben wird, hat auch niemand die Chance, einen Aufenthalt im Freien an diesem Tag zu verhindern.

Dieselantrieb steigert CO2-Ausstoß

Da die Strecke aus Kostengründen nicht elektrifiziert werden soll, müssen andere Antriebsarten gefunden werden. Der von den Befürwortern der Reaktivierung angedachte Betrieb mittels Brennstoffzellenzügen wäre wünschenswert, diese Züge sind in Anschaffung, Betrieb und Wartung aber bis zu 35 Prozent teurer als ein Zug auf einer elektrifizierten Strecke.

Video: Klimaneutrale Alternativen zu Dieseltriebzügen

Da jedoch Kostengründen als Argument gegen die Elektrifizierung vorgebracht werden, dürften auch alternative Antriebsarten zu teuer sein. Übrig bleibt also nur der Antrieb mit Diesel.

Bei Dieseltriebwagen muss man wissen, dass die Bahn eigene Abgasnormen hat, welche wesentlich weniger streng sind als die aktuelle EURO 6-Norm für Busse. Auch gilt es zu bedenken, dass eine Bahn eine deutlich längere Nutzungsdauer als ein Bus hat; man muss also länger mit der jeweiligen Abgastechnologie leben.

Hierdurch kommt es zu einer Steigerung von klimaschädlichen CO2-Emissionen durch den Bahnbetrieb. Außerdem wird in der Potenzialanalyse davon ausgegangen, dass viele Fahrgäste mit dem Pkw zum Bahnhof kommen, was zusätzlich CO2 verursacht. Bei der Nutzung der Busse entfällt diese Anfahrt. Eine Reaktivierung ist damit also nicht umweltfreundlich, sondern klimaschädlich!     

4. Reaktivierung vs. Ortsumfahrung

Ziel der Reaktivierung ist laut den Befürwortern die Verringerung des Verkehrsaufkommens in Rielasingen. Die Strasse zwischen Ramsen und Singen soll durch die Bahnstrecke entlastet werden, Güterverkehr auf die Schiene verlegt werden.

Mit der gleichen Argumentationsgrundlage wurde auch für die Ortsumfahrung geworben. Glücklicherweise hat sich die Politik für die Ortsumfahrung ausgesprochen, denn sie ist die einzig richtige Lösung, um den Ortskern zu entlasten. Nach jahrelangem Kampf gibt es nun endlich ein Aufatmen für viele lärm- und abgasgeplagte Rielasinger.

Da die Ortsumfahrung einen Großteil der Fahrzeuge aus dem Ortskern verbannt, kommt es auch zu weniger Staus, was ein großer Vorteil für den reibungslosen Busbetrieb in Rielasingen ist.

Teilweise dieselben Politiker, die sich für die Ortsumfahrung ausgesprochen haben, befürworten nun aber eine Reaktivierung der Bahnstrecke und muten den BürgerInnen damit neue Abgase und neuen Lärm, neue Stauschwerpunkte an Bahnübergängen und mehr Innerortsverkehr zum Bahnhof zu. Und das, obwohl das Ziel der Verkehrsentlastung mittlerweile in greifbare Nähe gerückt ist und somit eigentlich kein Bedarf mehr für die Behebung dieses Problems besteht.  

Noch haben die Bauarbeiten für die Ortsumfahrung nicht begonnen und die nächste Regierung kann sich wieder anders entscheiden. Daher ist es wichtig, die Bemühungen für eine notwendige Ortsumfahrung nicht durch die Reaktivierung der Bahnstrecke zu gefährden!

5. Stau an Bahnübergängen

Bei dem geplanten Stunden-Takt werden die Schranken an den Bahnübergängen zweimal pro Stunde geschlossen sein. Dies führt zu Stillstand und Rückstaus an den Bahnübergängen.

In Rielasingen betrifft dies den Bahnübergang in der Hegaustrasse. Nimmt man Schrankenschliesszeit von 80 Sekunden, wäre der Bahnübergang mehr als 50 Minuten am Tag geschlossen.

Kürzere Schrankenschliesszeiten entlasten zwar den Verkehr, sind jedoch auch ein enormes Sicherheitsrisiko.

Sieht man sich die Situation in Singen an, wird es noch kurioser. Hier würde es ca. 40x am Tag Rückstaus an den Bahnübergängen in der Worblinger Strasse bis zum Berliner Platz, in der Bohlinger Strasse und in der Ostendstrasse sowie am Kreisverkehr (!) bei der Volksbank in Singen geben.  Die Schrankenschliesszeiten beim Kreisel werden noch länger ausfallen, die Georg-Fischer-Strasse, die Güterstrasse, die Schrotzburgstrasse und die Franz-Sigel-Strasse sind somit täglich für über eine Stunde gesperrt! Da es sich hier um eine Hauptverkehrsachse der Stadt Singen handelt, würden die entstehenden Rückstaus zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Verkehrsflusses in der Südstadt führen.

Auch hier wäre der Bus also die bessere Alternative!

6. Lärmbelastung in Rielasingen

Die Lärmbelastung ist auch ohne eine Reaktivierung der Bahnstrecke schon enorm hoch. Mehr als 14.000 Fahrzeuge fahren derzeit noch durch die Rielasinger Ortsmitte. An diesen Zahlen wird auch die Bahn nichts ändern, da laut PTV Potenzialanalyse über 90% der Fahrgäste zwischen Rielasingen und Singen pendeln und der Durchgangsverkehr somit bestehen bleibt. Die einzige Lösung für dieses Problem ist die mittlerweile zugesagte Ortsumfahrung!

Nachdem eine Lärmquelle nun hoffentlich bald beseitigt wird, soll nun gleich die nächste geschaffen werden!

Moderne Züge sind zwar leiser als früher, verursachen aber immer noch erhebliche Lautstärken, insbesondere in Kurven, beim Bremsen und Anfahren. 40 Personenzüge am Tag und Güterzüge in der Nacht sollen mit einem Abstand von teilweise weniger als 10 m an Schulen, Kindergärten und Wohngebäuden vorbeifahren.

Hinzu kommt noch die zusätzliche Lärmbelastung durch den Rückstau an den Bahnübergängen, welche nicht nur die Anwohner der Bahn, sondern auch die der Hegaustrasse betrifft.

Lärmschutz ist aber eines der vorrangigen Ziele unserer Landesregierung, die dazu auf ihrer Internetseite Folgendes schreibt:

«Lärm ist eine der größten und gleichzeitig am meisten unterschätzten Umweltbelastungen für die Menschen. Lärm bedeutet für den Körper Stress und kann zu gesundheitlichen Schäden und Beeinträchtigungen wie Gehörschäden, vegetativen Störungen, Schlafstörungen und psychischen Beeinträchtigungen führen. Lärm steht auch im Verdacht, die Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen zu fördern und das Herzinfarktrisiko zu erhöhen. Das Ministerium für Verkehr arbeitet daher intensiv an Maßnahmen und Projekten zur Lärmminderung. «

Im Widerspruch zu dieser Vorgabe des Landes steht die Aussage des stellv. Vorstand des Förderverein Museumsbahn und Rielasinger Bürgermeisters Ralf Baumert vom 06.11.2020:

«Da die Strecke […] nie entwidmet wurde, ist zu prüfen, ob ein Lärmgutachten überhaupt erforderlich wäre. «

Es soll also geprüft werden, ob man das Geld für aktiven und passiven Schallschutz überhaupt ausgeben muss oder ob man sich das vielleicht sogar ganz sparen kann!

Als Privatperson und Bahnliebhaber steht Herrn Baumert diese Meinung zu, aber als Bürgermeister – und als solcher wurde er befragt – ist es seine Aufgabe, die Interessen ALLER Gemeindemitglieder zu vertreten und zu prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, die Anwohner vor Lärm zu schützen!

7. Wer würde bei einer Reaktivierung profitieren?

Finanziell

Eigentümer der Bahnstrecke von Etzwilen bis Rielasingen ist die Stiftung SEHR&RS in Hemishofen. Der Streckenabschnitt Rielasingen-Singen gehört der Stadt Singen und wird aktuell von der Stiftung SEHR&RS für den Musemsbahnbetrieb gepachtet.

Der Förderverein Museumsbahn Rielasingen-Singen mit dem Rielasinger Bürgermeister Ralf Baumert als stellv. Vorstand ist direkter Förderer der Stiftung SEHR&RS auf deutschem Gebiet und vertritt deren Interessen.

Die Bahninfrastruktur bestehend aus Weichen, Brücken, Signalisationen, Bahnübergängen etc. wurde seit der Stilllegung 1996 nicht mehr saniert (Ausnahme: Bahnbrücke Doktor-Fritz-Guth-Strasse 2012 und der Lückenschluss beim Volksbank-Kreisel in Singen 2019). Der Zustand der gesamten Bahnstrecke wird trotz der Pflege durch die Mitglieder der Museumsbahn von Jahr zu Jahr maroder. Allein schon der Bewuchs des Gleisbetts schreitet unaufhörlich voran, weshalb bei einer Reaktivierung regelmäßig Glyphosat zum Einsatz kommen wird. Es ist also eine Frage der Zeit, wie lange die Stiftung den Museumsbahnbetrieb ohne eine millionenschwere Sanierung noch aufrechterhalten kann.

Bei einer Reaktivierung würde der Löwenanteil einer Vollsanierung vom Steuerzahler finanziert. Selbst das aufwändige Mähen würde entfallen, wenn der Bahnbetreiber den Bahnkörper mittels Pestiziden für einen laufenden Bahnbetrieb reinigt. Gleichwohl möchte die Stiftung SEHR&RS aber auf jeden Fall Eigentümerin des Streckenabschnittes Etzwilen-Rielasingen bleiben.

Aus Sicht der Stiftung ist dieser Schachzug nachvollziehbar und clever, sie haben die Strecke vor dem Abbau bewahrt und sehen nun eine Möglichkeit, sie auch vor dem Verfall zu bewahren. Betrachtet man das Ganze aber aus Sicht des Steuerzahlers, saniert man auf eigene Kosten etwas, worauf man keinerlei Besitzansprüche hat.

Das starke Interesse der Museumsbahnbetreiber an einer regulären Bahn auf ihrer Strecke ist verständlich, allerdings müssen bei einer Reaktivierung die Interessen und Bedürfnisse aller Parteien berücksichtigt werden!

Als Fahrgast

Das nach einer Reaktivierung einzelne Bürger einen verbesserten Anschluss zum Bahnhof Singen haben, mag durchaus der Fall sein. Die Masse der Fahrgäste, vor allem Pendler und Schüler, sind jedoch weiterhin mit einem gut funktionierenden und flexibleren Busbetrieb mit zahlreichen Haltestellen und einer engeren Taktung weitaus besser bedient!

Auch die Anbindung zu den weiter entfernten Städten Schaffhausen, Winterthur, Frauenfeld und Kreuzlingen würde sich durch eine Reaktivierung nicht verbessern. Derzeit braucht man beispielsweise von Rielasingen über Singen nach Schaffhausen 36 Minuten incl. Umsteigezeit, würde man mit der Bahn von Rielasingen aus in 25 Minuten nach Etzwilen fahren können, ergäbe sich schon ohne Umstieg eine reine Fahrzeit von 50 Minuten! Für die anderen Städte sind die Verbindungen ähnlich unattraktiv.

8. Mangelnde Transparenz

Spätestens seit Corona haben die Bundes- und Landespolitiker bemerkt, dass Entscheidungen nur Sinn machen, wenn sie von der Breite der Bevölkerung verstanden und akzeptiert werden. Dieses Verständnis kann man wiederum nur durch Transparenz erwirken. Auf kommunalerEbene scheint sich diese Einsicht noch nicht überall durchgesetzt zu haben. Der Bürger soll nicht mitentscheiden, sondern darauf hoffen, dass die entsprechenden Amtsträger schon das Richtige veranlassen werden.

Diese Art Politik ist nicht mehr zeitgemäß. Daher fordern wir mehr Transparenz auch auf kommunaler Ebene!

Bislang wurden Informationen immer nur scheibchenweise herausgegeben und dann auch nur solche, die für eine gewünschte Reaktivierung sprechen. Bei der Frage nach den Kosten wird in den Medien mit einer Förderung der Baukosten von bis zu 96% geworben, obwohl bekannt ist, dass es diesen Prozentsatz nur im Zusammenhang mit einer Elektrifizierung gibt, welche die Befürworter für sehr unwirtschaftlich und unwahrscheinlich halten. Von den Betriebskosten will man lieber erst gar nicht reden und erwähnt diese mit keinem Wort.

Apropos Fördergelder: Auch der Ausbau von Radwegen wird zurzeit stark gefördert. Wieso gibt es keine Bemühungen in diese Richtung? Eine Radunterführung an der Hauptstrasse auf Höhe der Aachinsel würde den Fahrradweg deutlich sicherer und attraktiver machen und umweltfreundliches Pendeln mit dem Rad erleichtern.

Als die Analyse zum Fahrgastpotenzial veröffentlicht wurde, schien diese die Reaktivierung erst mal zu stützen. Schließlich befindet sich die Strecke in Kategorie B, hat also ein hohes Nachfragepotenzial. Dass die Teilstrecke Rielasingen – Etzwilen nur in die letzte, nicht förderungswürdige Kategorie D fällt, wird nicht erwähnt. Ca. 130 Fahrgäste am Tag klingen nicht gut, dann lieber mit 2670 Zustiegen argumentieren. Bei der Berechnung dieser Zahl wird davon ausgegangen, dass Personen aus bis zu 3 km Entfernung die Bahn nutzen. Sollte die Busverbindung bestehen bleiben, ist dies stark zu bezweifeln. Warum sollte jemand, der beispielsweise beim Worblinger Naturbad wohnt, die Bahn nutzen, anstatt 150 Meter zum Bus zu laufen? Die Zahl von 2670 Zustiegen, also rund 1400 Pendlern und Schülern, kann nur erreicht werden, wenn der Bus abgeschafft wird und die Bahn preislich sehr attraktiv ist.

Auch den Lärmschutz will man aus Kosten- und Zeitgründen möglichst umgehen und lässt prüfen, ob dieser überhaupt erforderlich ist. Dabei ist der Lärmschutz nicht umsonst eines der Hauptziele der Landesregierung. Aber mit 4 Meter hohen Lärmschutzwänden in den Ortschaften wirkt die Bahn nicht mehr so schön und die Aussicht ist für die Museumsbahnfahrgäste auch nicht mehr so malerisch.

Das Hauptargument der Befürworter ist oft die Umweltfreundlichkeit. Verständlich, hört sich eine Bahn ja auch erst einmal umweltfreundlich an. Wenn aber eine Elektrifizierung aus Kostengründen für unwahrscheinlich gehalten wird, sieht das gleich ganz anders aus. Da Dieseltriebwagen kein gutes Image haben, werden lieber Akkuloks oder gar Wasserstoffzüge samt Tankstelle in Aussicht gestellt. Wenn die Kosten für eine Elektrifizierung zu hoch sind, woher kommt dann das Geld für diese umweltfreundlicheren, aber wesentlich teureren Alternativen zum Diesel?

Apropos Elektrifizierung: Allein aus Gründen der Authentizität dürften die Museumsbahnfreunde kein Interesse an einer Oberleitung über ihrer Dampflok haben. Der Nostalgieeffekt auf den Fotos und Videos wäre dann nämlich dahin.

Zu guter Letzt noch ein Hauptkritikpunkt zum Thema Transparenz:

Es wird immer wieder gerne betont, die Kommune habe keinerlei Einfluss auf die Reaktivierung. Das stimmt natürlich nicht, das Land BW veranstaltete im 4. Quartal 2018 ein Beteiligungsverfahren, in dessen Rahmen seitens der kommunalen Gebietskörperschaften und Verkehrsbände Vorschläge für die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken gemacht werden konnten. Hier wurde auch die Strecke Singen – Etzwilen vorgeschlagen. Weiterhin betont das Land, dass es ein ernsthaftes Interesse auf kommunaler Ebene braucht verbunden mit der Bereitschaft, die anfallenden Betriebskosten zu zahlen. Dieses starke Interesse wird vor allem von unserem Bürgermeister Herr Baumert immer wieder betont, ohne dass der Gemeinderat oder die Gemeinde hierzu Stellung nehmen konnten. Gleichzeitig teilte die Gemeinde noch im Frühjahr 2020 Kaufinteressenten für die an der Bahn liegenden Grundstücke mit, dass derzeit keinerlei Anzeichen für eine Reaktivierung bekannt seien und lediglich 4 x im Jahr die Museumsbahn die Strecke befährt. Wenn die Bahn so viele Vorteile für die BürgerInnen bringt, hätte man doch von Anfang an mit offenen Karten spielen können!